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Rede zum Antrag "Stategievorstellung durch SWG-Vorstände im PBUV-Ausschuss"

 

Sehr geehrter Herr Vorsitzender,

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

die Stadtwerke nehmen unbestreitbar DIE zentrale Rolle bei der Einhaltung der Klimaneutralitätsverpflichtung Gießens ein. Bisher ist im Hinblick auf zahlreiche Äußerungen der Vorstände jedoch nicht zu erkennen, dass die SWG diese Rolle auch annehmen und entsprechend ausfüllen. Als aktuelles Beispiel zitiere ich aus dem Protokoll der Sitzung der Lokalen Agenda Arbeitsgruppe Energie vom 10. November: „Auf den Hinweis, dass die SWG selbst Maßnahmen zur Klimaneutralität vorschlagen und durchführen könnten, wie es auch Stadtwerke anderer Städte tun, antwortet Herr Funk: „Ich bin nur Dienstleister.“

 

Immer wieder sprach Hr. Funk bei öffentlichen Veranstaltungen und in offiziellen Dokumenten von den bundespolitischen Zielen, ignorierte den Stadtverordnetenbeschluss und ließ durchscheinen, dass er wenig davon hält. Als 100%-ige Tochter der Stadt, sollten die Stadtwerke politische Beschlüsse ernst nehmen, egal ob sie sie nun selbst so getroffen hätten, oder nicht. Doch auch zwei Jahre nach dem Beschluss wurde noch immer keine Strategie veröffentlicht, wie die Stadtwerke klimaneutral werden wollen. Dennoch werden die Stadtwerke weiterhin mit Lob überzogen, wie jüngst zum Beispiel im Klimaschutzbericht 2021. Darin werden allen Ernstes mehr Gasanschlüsse und Blockheizkraftwerke als Erfolge verkauft. Die Stadtwerke investieren also fröhlich weiter in fossile Infrastruktur.

 

Aber zum Glück kann man sich ja jetzt einfach freikaufen. Stichwort: Kompensation. Dafür geben die Stadtwerke jetzt hunderttausende Euro für billigste Kompensationsmaßnahmen in Indien aus. Greenwashing gehört aber schon länger zum Repertoire der Stadtwerke, so zu beobachten zum Beispiel beim sogenannten „Gießener Grünstrom“, dessen Bezeichnung eine SWG-Führungskraft am Rande der Vorstellung des Klimaberichts 2020 selbst mit den Worten „das ist halt Marketing“ kommentierte.

 

Herr Wright, im OB-Wahlkampf kritisierten Sie erfreulicherweise die Entscheidung der Stadtwerke zur Kompensation. Und auch Dezernentin Weigel-Greilich hat sich bei der Präsentation des Klimaschutzberichts dagegen ausgesprochen. Vielen Dank dafür.

Was ich mich allerdings frage ist, was der Aufsichtsrat, dem Sie beide und zahlreichen Kolleginnen und Kollegen aus der ehemaligen und auch der aktuellen Koalition angehören, eigentlich getan hat, als das entschieden wurde. Ich kann mir kaum vorstellen, dass der Vorstand eine Ausgabe über mehrere hunderttausend Euro durchgesetzt hätte, wenn es diese klare Positionierung gegen Kompensationen seitens des Aufsichtsrats gegeben hätte.  

 

Damit wir endlich mit großen Schritten in Richtung Klimaneutralität kommen, müssen die Stadtwerke offensichtlich deutlich enger politisch geführt werden. An dieser Stelle möchte ich die ehemalige Oberbürgermeisterin Frau Grabe-Bolz zitieren, die auf einer Veranstaltung im Rathaus vor einigen Jahren gesagt hat „Die Stadtwerke sind eine 100%ige Tochter der Stadt - und manchmal muss man seine Kinder auch erziehen“.

 

Da diese engere Führung auch das postulierte Ziel der Koalition ist, könnten Sie unserem Antrag heute zustimmen. Ihre Anregung, dass die Vorstellung und Diskussion der SWG-Strategie in einer öffentlichen Veranstaltung erfolgen soll, nehmen wir gerne als zusätzlichen Punkt auf. Wir haben unseren Antrag daher entsprechend geändert. Aus unserer Sicht würde eine einzelne Veranstaltung allerdings zu kurz greifen. Wir sehen das Zusammenwirken von Politik und Stadtwerken als das zentrale Werkzeug an, um die Klimaneutralität in Gießen zu erreichen. Dazu bedarf es einem intensiven Austausch zwischen den Stadtverordneten und den Führungskräften der Stadtwerke in einem Rahmen, der genügend Zeit für Diskussionen lässt.   

 

Auch bei der Terminierung kommen wir den Befürchtungen der Koalition gerne entgegen und lassen den Stadtwerken ein weiteres Vierteljahr Zeit, um endlich eine Strategie zu entwickeln. Ein weiteres Herauszögern bis Ende des ersten Halbjahres 2022 wie im Änderungsantrag der Koalition gewünscht, halten wir jedoch für angemessen. Dafür fehlt uns mit Blick auf die uns davonlaufende Zeit bis 2035 und der sich immer weiter verschärfenden Klimakrise schlicht die Zeit. Wir hoffen daher sehr auf Ihre Stimmen für unseren auf Ihre Einwände angepassten Antrag.

 

Vielen Dank.

 

Gehalten von Johannes Rippl, Gigg+Volt, im Rahmen der Stadtverordnetenversammlung am 16. Dezember 2021

Der Antrag wurde von der Koalition geändert (nur eine öffentliche Veranstaltung, keine getrennte Aussprache zwischen Stadtparlament und SWG-Vorstand) und von der Stadtverordnetenversammlung in der geänderten Version angenommen.