Seit dem gestrigen Montag, dem 17. Mai, liegt der Fraktion Gigg+Volt die Ausschreibung vor, mit der die Kämmerei der Stadt Gießen am 11. Januar 2021 nach einem externen Prüfungsunternehmen gesucht hat, das „im Rahmen des Jahresabschlusses 2018 einzelne Prüfungspunkte der internen Revision im Bereich des Jugendamtes verifizieren soll“, so der Text der Ausschreibung.
Im Rahmen des Projekts sind bis zum 30. Juni 2021 u. a. folgende Aufgaben zu erledigen:
- Auswertung der Entwürfe der Prüfungsfeststellungen des Revisionsamtes,
- Bestandsaufnahme des erfolgten bzw. bestehenden Bearbeitungsprozesses sowie erfolgter
- Buchungen,
- Durchsicht und Abgleich vorgenommener Abrechnungen unter Berücksichtigung bestehender
- gesetzlicher und vertraglicher Regelungen sowie der Rechtsprechung
- Analyse und Bewertung des Bearbeitungsprozesses sowie die sachliche und buchhalterische
- Abwicklung zur Verifizierung und Feststellung der Plausibilität der zu Grunde liegenden
- Forderungen, Abschlagsvereinbarungen sowie Abrechnungen mit weiteren
- Organisationen/Institutionen,
- Nacherhebung von Daten; Bei der Auftragsdurchführung soll vorrangig auf bereits vorhandene Daten zurückgegriffen werden, notwendige Nacherhebungen werden vorrangig durch die Stadt Gießen unter Anleitung des Prüfungsunternehmens durchgeführt.
Bei den im Bericht zum Jahresabschluss 2018 vom Revisionsamt z. T. sehr heftig kritisierten Vorgängen handelt es sich in erster Linie um Abrechnungen von Leistungen rund um unbegleitete minderjährige Ausländer durch die Caritas sowie durch Ärzte, Zahnärzte, Labore sowie Kinder- und Jugendpsychologen. Bei der Beurteilung dieser komplexen Vorgänge und Strukturen bzw. der Rechtmäßigkeit der internen Abläufe und Buchungsvorgänge bzw. der daraus resultierenden Konsequenzen liegen das Revisionsamt und der Magistrat in wesentlichen Aspekten meilenweit auseinander. So empfiehlt das Revisionsamt den Stadtverordneten, den Magistrat für den Jahresabschluss 2018 nicht zu entlasten, während der Magistrat für eine Verweigerung der Entlastung keinerlei Basis erkennt.
„Der konkrete Ausschreibungstext und die Vergabe der Leistungen werfen viele neue Fragen auf und ergänzen die Reihe der Ungereimtheiten des Magistrats im Zusammenhang mit den Revisionsberichten 2017 und 2018,“ so Lutz Hiestermann, Fraktionsvorsitzender von Gigg+Volt. „So fällt neben der außergewöhnlich kurzen Ausschreibungsfrist von gerade einmal acht Tagen z. B. auf, dass – anders als von der Stadt gegenüber der Presse mitgeteilt (siehe Artikel im Anzeiger vom 8.5.2021) – der Kämmerer und nicht das Jugendamt der Auftraggeber der Studie ist und es nicht um zukünftige Prozesse und Abläufe geht, sondern um eine Beurteilung von Vorgängen rund um den Revisionsbericht 2018. Und ebenso interessant ist die Feststellung, dass eine Ausschreibung derartiger Leistungen schon viele Wochen vor der Vorlage des Revisionsberichts 2018 in Angriff genommen wurde.“
Gigg+Volt wird daher in der heutigen Sondersitzung des HFWRE den Antrag stellen, die Abstimmung des Parlaments über die Entlastung des Magistrats für die Jahresabschlüsse 2017 und 2018 auf nach der Vorlage des Berichts des beauftragen Instituts, d. h. nach Ende Juni zu verschieben. „Es ist doch abstrus, dass wir als Stadtverordnete den Magistrat jetzt innerhalb kürzester Zeit entlasten sollen, während gleichzeitig eine Untersuchung durch ein fachkompetentes Unternehmen läuft, das hoffentlich genau diese Aufgabe übernehmen soll, nämlich ergebnisoffen ein objektives Urteil zu den divergierenden Einschätzungen von Revisionsamt und Kämmerei zu erarbeiten,“ so Lutz Hiestermann weiter. „Diese Untersuchung muss daher in die Beurteilung der Vorgänge durch die Stadtverordneten einfließen, so dass dieser Tagesordnungspunkt erst nach Abschluss der Untersuchung durchgeführt werden kann.“
Über diese Forderung nach einer zeitlichen Verschiebung hinaus wird Gigg+Volt zudem beantragen, dass das Parlament in die inhaltliche Ausprägung der Untersuchung involviert und vollumfänglich über den Stand der Untersuchungen informiert wird.
Frank Schuchard, Vertreter von Gigg+Volt im HFWRE, fasst zusammen: „Sowohl Grüne als auch SPD haben für die Legislaturperiode einen neuen, wertschätzenden und transparenten Stil versprochen. Im Zusammenhang mit den Vorgängen rund um den Revisionsbericht 2018 wird vom Magistrat aber immer noch der alte Stil exemplarisch vorgelebt. Wir fordern daher die Fraktionsvorsitzenden der Grünen und der SPD auf, hier klar Flagge zu bekennen und den Antrag von Gigg+Volt zu unterstützen.“